Die Bezeichnung "Hilfszug" hat
zwei Bedeutungen.
Man bezeichnet als Hilfszug eine Zusammenstellung von
Eisenbahnfahrzeugen,
die nur den Zweck haben bei Störungen, Havarien und Unfällen
Mannschaften und Geräte bis zur Unglücksstelle zu
transportieren.
Durch die spezielle Ausrüstung sollte der Hilfszug in der Lage
sein,
auch mehrere Tage vor Ort zu bleiben und der Hilfszubesatzung alle
Bedürfnisse
zu befriedigen.
Zu diesem Zweck bestand der Zug aus mehreren speziellen Fahrzeugen,
die eine Werkstatt enthalten, Material mitführen,
Großgeräte
und natürlich Aufenthaltsraum und Kochgelegenheit. Der Zug war
beheizbar
(weil Störungen meistens nachts bei Regen auftreten) und hat
mitunter
auch Schlafstätten an Bord.
Der Hilfszug steht, sofern die Bahngesellschaft entsprechende
Prioritäten
setzt, auf einem größeren Bahnhof bereit, ihm ist eine
Lokomotive
zugeteilt, die entweder direkt beim Zug verbleibt oder innerhalb der
Alarmierungszeit
am Zug sein kann.
Die Bezeichnung "dringlicher Hilfszug" ist auch eine
betriebsdienstliche
Kennung, der Zug verkehrt unter einer 99er Zugnummer und wird bevorzugt
behandelt. Eine 99er Nummer und die technische Ausstattung "Hilfszug"
müssen
nicht identisch sein. Außerhalb von Störungen werden die
Fahrzeuge auch für
Bauarbeiten eingesetzt.
Hilfszüge der DRG |
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Anfangs
wurden einige umgebaute Triebwagen neben einer
geringen Anzahl
Neubaufahrzeuge eingesetzt. Die geringe Anzahl dieser Fahrzeuge und die
Störanfälligkeit der Fahrleitung in den Anfangsjahren
läßt
vermuten, daß auch umgebaute G-Wagen (Gn Stettin, Posen oder
München)
mit einer Bühne, gezogen von Länderbahnlokomotiven als
Hilfszüge
im Einsatz waren.
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Arbeitszug mit Montagewagen, auch als Hilfszug eingesetzt.
Quelle: Siemens Handbücher, 15. Band, 1929. Sammlung Mario Menge.
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Prüfungswagen der RBD Breslau Nr. 76 7507 |
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Das Fahrzeug entstand aus
einem Benzoltriebwagen der
KPEV etwa 1925.
Der Triebwagen zeigt schon alle Attribute, die moderne ORT aufweisen.
Eine Hauptbühne wird ergänzt durch eine schwenkbare
Seitenbühne.
An beiden Fahrzeugenden befinden sich Stromabnehmerbügel.
In den ersten Jahren dienten sie der Erdung der Fahrleitung,
später
stellte sich heraus, daß bei einer Erdschlußfahrt (E-Lok
fährt
in einen abgeschalteten und geerdeten Abschnitt ein, der Bügel
bzw.
die Bügel überbrücken den Streckentrenner, es kommt zum
Kurzschluß) die angelegten Bügel den Arbeitern keine
ausreichende
Sicherheit boten.
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Quelle: Sammlung Dieter Herfeldt
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Turmwagen der RBD München |
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1927 beschaffte die DRG
für die Instandhaltung und
Entstörung
im Raum München drei dieser Akkutriebwagen. Weitere Informationen
finden Sie in jedem guten
Triebwagenarchiv.
Das Modell hat die Firma Günther Modellbau im
Angebot.
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Quelle: Siemens Handbücher, 15. Band, 1929. Sammlung Mario Menge.
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Hilfszüge der DR |
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Hilfszug des Bsw Ludwigsfelde |
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Das Bahnstromwerk
Ludwigsfelde verfügte nach der
Gründung
über zwei Zugkombinationen, die als Hilfszüge verkehrten. Die
erste Möglichkeit war der Einsatz eines zweiachsigen
"Oberleitungsrevisionstriebwagen"s.
Dieser wurde als Hilfszug ausgeschickt, wenn der Umfang der
Störung
keinen Trommelwagen verlangte. Bei größeren Störungen,
bei den das Kettenwerk
beschädigt
wurde, setzte Ludwigsfelde die gleiche Kombination wie das Bsw Berlin
ein.
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Hilfszüge des Bsw Berlin Rummelsburg |
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Nach der formalen Gründung des Bsw Berlin, etwa
1979/80 dauerte
es noch geraume Zeit, bis Berlin einen eigenen Hilfszug bekam.
Nach dem Bezug des Geländes am Bahnhof Rummelsburg erhielt das
Bsw einen Fahrleitungsmontagewagen (FMW), einen
Trommelwagen und einen vierachsigen Schutzwagen. Gezogen wurde der Zug
von einer Lok der Baureihe 106 (DR V 60).
Die 106 575 wurde mit einem Stromabnehmerbügel ausgerüstet
und verblieb ständig in der Halle des Bsw.
Der FMW entstand im Raw Stendal aus einem vierachsigen gedeckten
Güterwagen
(GG) mit Handbremse. Stendal baute eine größere Anzahl
dieser
später bei AEG, ABB und Siemens sehr beliebten Fahrzeuge. Der
G-Wagen
erhielt ein neues Dach und eine hydraulische Hauptbühne über
die gesamte Fahrzeuglänge, eine 2500 mm Seitenbühne und
jeweils
eine höhenverstellbare Rolle am Bühnenende. Im eigentlichen
Wagen
gab es einen Maschinenraum, eine Werkstatt und einen Aufenthaltsraum.
Der Wagen verfügte über ein Dreilicht- Spitzensignal und
G-P- Bremse. Die Farbgebung war orange.
Der Trommelwagen entstand auf Basis eines vierachsigen Schienenwagens
(SS) Er erhielt eine Halterung für die Trommeln mit
sämtlichen
Seilformen. An einem Ende bekam er einen elektrohydraulischen Kran und
zum Schutz der Bediener ein Geländer.
Der Schutzwagen war zwischen den beiden Fahrzeugen notwendig, da der
Fahrdraht beim Ziehen nicht geknickt werden darf, ist der Abstand
zwischen
der Trommel und der ausgefahrenen Bühne zu klein, ist die
Verformung
des Fahrdrahts unvertretbar.
Weiterhin transportiert der Flachwagen verschiedene Rohre,
vorgefertigte
Ausleger, die Pioniermaste und andere Materialien, die im
Störungsfalle
benötigt werden.
Eine Zeitlang fuhr im Hilfszug ein sechsachsiger "Beutewagen" mit.
Das war der Fall, wenn ein zweiter Hilfszug bereit gehalten wurde,
der erste z.B. bei Bauarbeiten eingesetzt wurde.
Der Sechsachser kam nach dem Zugunglück bei Hohenneuendorf- West
zum Bsw. Während der Störung wurden auf ihm die Ersatzmasten
transportiert, beim Abrücken verblieb der Wagen beim Hilfszug.
Erst als der Wagenmeister zur Fristuntersuchung das Gelände des
Bsw aufsuchte, fiel der "Beutewagen" auf. Er wurde daraufhin
eingezogen.
Zum Ende der Achtziger stellte die DR neue ORT
in Dienst, das Bsw Berlin erhielt ebenfalls zwei Fahrzeuge der BR 188.
Diese ersetzten dann die 106, die ORT fuhren später nur im
Bedarfsfalle
mit dem gesamten Wagenpark aus.
Bei kleineren Störungen rückt nur das MZA
aus.
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FMW 305, Bsw Rgb
Foto Jörg Hintze
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MZA
Foto Jörg Hintze
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ORT 304, Bsw Lf
Foto Jörg Hintze
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Die Hilfszubesatzung |
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Der Fahrleitungshilfszug war mit acht Mann, den
Lokführer nicht
mitgezählt, zu besetzen.
Dazu gehörten ein Arbeitszugführer, der Hilfzugleiter und
sechs Monteure. Die Funktionen Schaltberichtigter, FMW- Bediener,
Sicherungsposten
und Kraftfahrer waren unterschiedlich verteilt.
Die Hilfszugbesatzung war in "Vor-Ort-Bereitschaft" ständig in
der Nähe des Zuges.
Nach einer Alarmierung hatte der Zug, Tag und Nacht, zwanzig Minuten
Zeit, sich beim Fahrdienstleiter abfahrbereit zu melden.
In besonderen Situationen konnte auch eine Ausrückzeit von
fünf
Minuten befohlen werden.
Unter diesen Umständen waren die ersten Monteure mit dem Kfz
bereits
nach 10 bis 30 Minuten an der Störungsstelle, der Zug traf nur
wenig
später ein.
In der Regel war nach 60 min die Anlage abgeschaltet (Schaltzeit 20
min), geerdet, die schriftliche Freigabe erteilt, das Fahrzeug
aufgerüstet
und die Monteure bei der Arbeit.
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LKW W 50 mit Plauener Fahrleitungskoffer
Foto Jörg Hintze
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Weitere Entwicklung
Nach Aufgabe der Bereitschaftsform und der Einführung von
Rufbereitschaft
vergehen mitunter drei bis vier Stunden, bis der erste Zuständige
an der Störungsstelle ankommt.
Inzwischen wird der als Hilfszug verkehrende ORT auch erst mit einem
zu Rufenden bemannt, dadurch entsteht die Situation, daß
teilweise
der Zugverkehr acht Stunden ruht, weil die Reparaturkolonne oder/und
das
Fahrzeug nicht schnell genug zur Unglücksstelle kommen. |
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