Anfang der 90er Jahre reichte
die Reibung der G 5 nicht mehr
aus, vor allem im Hügel- und
Bergland waren die Güterzüge nicht
mehr ungeteilt und ohne Vorspann
zu befördern. So wurde ein
vierfach gekuppeltes Fahrwerk mit
dem fast unveränderten Kessel der
G 5 gefordert und Vulcan in Stettin entwickelte
mit diesen Vorgaben eine überaus
leistungsfähige Lokomotivfamilie.
Zur Geschichte der G 7 findet sich
in der einschlägigen Literatur und
im Netz eine Vielzahl an
Informationen, so daß ich nur auf
modellrelevante Detail eingehen
werde.
Auch die G 7 wurde in
zwei Varianten gebaut, als
Zwilling für den Einsatz vor
Nahgüterzügen mit einer Vielzahl
an Rangierbewegungen sowie als
sparsamere Verbundmaschine für den
Durchgangsverkehr. Vom Zwilling
wurden rund 1200 Einheiten gebaut,
von der Verbundmaschine rund 1650
Maschinen. Für den Modellbahner
allerdings ist die
Zwillingsmaschine die sinnvollere
Variante angesichts kleiner
Anlagen, kurzer Strecken und des
längeren Verweilens der
Zwillingslok im Betriebsdienst.
Die Lok erfuhr in ihrer
fast 20-jährigen
Beschaffungsperiode eine Reihe
Veränderungen. Das Führerhausdach
wurde verlängert, Dome und
Sandkästen tauschten die Plätze,
nach dem Streckenausbau für höhere
Achslasten bekam der Tender einen
Aufsatz, mache Loks bekamen auch
Vorwärmer, Druckluftbremsen und
elektrische Beleuchtung. Anfangs
war der Kreuzkopf noch
zweischienig ausgeführt, im Modell
gibt es aber nur die spätere
Variante.
Die G 7.1 war
Preußens erster Vierkuppler, trotz
der fast 70-jährigen Einsatzzeit
war die G 7 dem Modellbahner viele
Jahre praktisch unbekannt. Zwar
gab es im 20 Jh. einige
Kleinserienmodelle
unterschiedlicher Qualität, aber
der breiten Masse wurde diese
Familie erst 2006 durch Pikos
Einfachausführung und das 2012er
Vollmodell von Brawa bekannt.
Das
Ausgangsmodell
Die vereinfachte, aber
recht maßstäbliche Lokomotive gibt es in
zahlreichen Versionen europäischer
Bahngesellschaften, im Grunde ist es egal,
welche Variante als Ausgangsmodell gewählt
wird. Erwirbt man eine Wechselstromlok hat
man natürlich die gröberen (Tender-)
Räder. Diese sind dann 3,1 mm statt 2,8 mm
breit. Da 2,2 mm Radbreite völlig
ausreichen, kann man sich die unnötigen
"GTI-Schlappen" sparen...
Das Ausgangsmodel
Variante 1: Breslau 4402
(spätere 55 131)
Gewähltes Vorbild ist
eine 1903 von Linke-Hoffmann gebaute
Maschine. Recht ursprüngliche und damit
nackte Ausführung der G 7.1. Vorn liegender
Sandkasten, Gasbeleuchtung,
Tortenscheibenräder, frühe Tenderform,
Wurfhebelbremse. Änderungen im
Gegensatz zum Serienmodell:
Rädertausch (Roco G 10), Rocoräder
überarbeitet, Betonsockel weg,
Kesselmittelteil ersetzt, Tenderaufbau mit
ML-Teilen überarbeitet und mit Weinertteilen
verfeiner, Faulhabermotor, Feinkupplung,
Rahmenvorschuh ergänzt, Lok-Tender-Abstand
verringert.
Lok ist noch im Umbau.
Die halbfertige Preußin.
Variante 2: 55 108
Eine Maschine der RBD
Essen, 1904 von Vulcan in Stettin gebaut.
Luftdruckbremse, Sichelräder, hinten liegender
Sandkasten, Gasbeleuchtung. Änderungen im
Gegensatz zum Serienmodell: Rädertausch
(Roco G 10), Rocoräder überarbeitet,
Betonsockel weg, Kessel abgeschliffen, Tender
mit Weinertteilen verfeinert, Feinkupplung,
Rahmenvorschuh ergänzt, Lok-Tender-Abstand
verringert.
Der Lok fehlen noch einige kleine Details.
Die Reichsbahnmaschine 2018
Letzter Zustand der 55 108, fotografiert von Frits
Osterthun
auf dem Fremotreffen in Cloppenburg 2025.
Eine Aufnahme auf dem Fremotreffen in
Cloppenburg 2023 in unferloser Auflösung ist nach einem
Klick auf das Bild zu sehen. Die 55 108 ist die
zuverlässigste der umgebauten Piko-Maschinen was
Laufverhalten, Stromabnahme und Einsatzdauer angeht.
Fotografiert von Gerrie Offerman, Amsterdam im Jahre
2023.
Variante 3: 55 411.
Eine Maschine der RBD
Breslau, 1907 von Schwartzkopff gebaut.
Luftdruckbremse, Sichelräder, hinten
liegender Sandkasten,elektrische
Beleuchtung, Vorwärmer.
Änderungen im
Gegensatz zum Serienmodell:
Rädertausch (MP), Betonsockel weg,
Kessel abgeschliffen, Tender mit
Weinertteilen verfeinert, Feinkupplung +
TBK, Rahmenvorschuh ergänzt,
Lok-Tender-Abstand verringert.
Lok ist noch nicht ganz fertig.
Die 55 411, Zustand der Lok nach zahlreichen Einsätzen mit
den entsprechenden Blessuren von Frits Osterthun, 2025.
2024, neu bekohlt und insgesamt schon recht mitgenommen
von den zahlreichen Einsätzen.
Familienfoto mit der G 7.3 (2.v.l.)
Variante
4: 55 131 mit Tender III5f.
Eine weitere Maschine der
RBD Breslau, 1903 von Linke gebaut. Die
ehemalige Breslau 4402 im Zustand von 1927, 20
Jahre später als sich das Fahrzeug oben
(Variante 1) darstellt. Inzwischen mit
Tauschkessel, anderen Radsätzen, größerem
Tender, Luftdruckbremse, vorn liegender
Sandkasten, Gasbeleuchtung, vierachsiger
Tender. Änderungen im
Gegensatz zum Serienmodell: Rädertausch
(Schwarz), Betonsockel weg, Kessel
abgeschliffen, Fahrzeug mit Teilen von Schwarz
verfeinert, Feinkupplung + TBK, Rahmenvorschuh
ergänzt, Lok-Tender-Abstand verringert.
Lok ist noch nicht ganz fertig Steuerstand
u.v.a.m. fehlen noch.
2025 fotografierte Frits Osterthun die Maschine
auf dem Treffen in Cloppenburg.
Blick auf den umgebauten Tender.
Variante 5: 55 276 mit Tender
III5d mit halbhohem Kohlenkasten.
1904 von Linke gebaut,
schon mit Luftdruckbremse ausgestattet. Weil
nach der Abtretung Oberschlesiens hochwertige
Steinkohle dem Schnellzugverkehr vorbehalten
war, mußten die Heizer der Güterzugloks
minderwertige Kohle mit geringer Dichte
verfeuern. Um trotzdem auf den benötigten
Brennwert zu kommen, wurden die Tender mit
Aufsätzen versehen, um so mehr Volumen laden
zu können. Der Tender der 55 276 bekam schon
einen werksseitig mit vergrößertem
Kohlenkasten. Diese wurden später noch mit
Brettern erhöht.
Die 55 276 ist eine Resteverwertung und noch
nicht ganz fertig. So fehlen noch einige Details
wie Sandfallrohre, Beschriftung, Alterung,...
In Cloppenburg 2025 von Frits
Osterthun fotografiert.
Variante 6: 55 610,
Nachbauserie von 1916, "Kriegslok".
Im großen (Historiker
werden einst ausführen "...die europäische
Zivilisation zerstörenden") Kriege stellte die
Vielfalt der an die Heeresfeldbahnen
abgegebenen Lokomotiven ein großes Problem
dar. Neben der Uneinheitlichkeit der Bauteile
waren auch die Bedienelemente unterschiedlich
angeordnet, oft noch nicht einmal einheitlich
bezeichnet. Vor allem bei Dunkelheit ein
Problem. Dazu kam die Tatsache, daß die
Eisenbahnen in den besetzten Ländern noch weit
schwächeren Oberbau verwendeten und
Heißdampflokomotiven unter Feldbedingungen
deutlich schwerer zu warten sind.
Daher wurde 1916 von der G 7.1 noch einmal
eine kleine Serie nachgebaut. Grundsätzlich
nach den vorhandenen Zeichnungen, aber schon
mit einigen modernen Attributen: Mit
Luftdruckbremse, zwei Sandkästen, größerem
Führerhaus (ähnlich der G 10) und zudem mit
dem Steifrahmentender der G 8.1/G 10.
Das Modell bekam ich als
angearbeitete Maschine, der Vorbesitzer hatte
mit dem Erhalt einer Brawalok den Umbau
eingestellt. Von einem anderen Freund hatte
ich eine G 10 der DR bekommen, aus beiden Lok
fertigte ich die 55 610 schon mit elektrischer
Beleuchtung.
Variante 7: Erfurt 1323, pr G
7 mit Brotankessel.
1902 hatte der
Österreicher Brotan eine
Wasserrohrkesselbauart betriebsfähig
entwickelt, erste Versuche liefen
vielversprechend. So ließ Preußen 1906 zwei
Maschinen von Vulcan für die Direktion Erfurt
bauen. Problem mit Wasserstein beendeten die
Versuche bereits 1909, die Reparaturkosten
standen in keinem gesunden Verhältnis zu den
Einsparungen an Betriebsstoffen.
Mich faszinierte diese
Variante der G 7 (wie auch die Strohmannkessel
der G 8 ) und so wird eine weitere Pikolok
geschlachtet. Wie üblich wurde der Betonsockel
entfernt, das Kesselmittelteil durch ein
Drehteil ersetzt, Anbauteile von Schwarz,
Weinert und Eigenbauten sitzen am Kessel. Ein
überarbeiteter Tender von M&F, insgesamt
viele Teile selbst gefertigt bzw. von anderen
Herstellern.
Sounddecoder und Lautsprecher im Kessel, an der
Lok umfangreiche Lichtspielereien.
Quellen: Weisbrod/Müller/Petznick,
Dampflokarchiv
2, Transpress 1987, 1. bis 5. Auflage