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Das "dritte Spitzenlicht"
an Lokomotiven und Triebwagen und unausrottbare, populäre Irrtümer.

Inhalt.
Vorbemerkungen.
Signale am Zuge (Signal 15 und 17).
Die Entwicklung des Signals 18 bis 1940.
Das Zg 1 (Dreilichtspitzensignal).
Die Signale 19 und 20.
Zusammenfassung und die Auswirkungen für die Modellumsetzung.
Ergänzende Erläuterungen.


Vorbemerkungen.

In schöner Regelmäßikeit tauchen in jeder größeren Runde, in jeder Newsgroup oder Forum mit dem Thema Eisenbahn die immer gleichen Fragen und teilweise auch falschen Behauptungen auf. Nachdem ich mir das Elend nun einige Jahre angesehen habe und ich es leid bin, immer wieder von neuem in diesen Gruppen die entsprechenden Antworten zu formulieren. Deshalb entstand dieser Artikel, für ein besseres Verständnis scheint es mir sinvoll, ein wenig in die jüngere Geschichte der "Signale am Zuge" eintauchen.
In den Anfangsjahren der Eisenbahn verkehrten nachts oder bei schlechter Sicht keine Züge, eine Beleuchtung war deshalb unnötig. Reisende übernachteten auf geeigneten Bahnhöfen und waren entsprechend lange unterwegs. Mit zunehmender Zuganzahl und -dichte war es einerseits nötig, den Zugschluß zu kennzeichnen, um Auffahrunfälle zu vermeiden, andererseits aber auch die Zugspitze mit Laternen zu versehen um Bahnbeamten, Reisenden und Fuhrwerken und Fußgängern das Nähern eines Zuges oder einer Lokomotive zu signalisieren. Der Zugschluß begann mit einer roten Laterne und hatte noch in den 30ern drei rote Lichter, das soll aber nicht Inhalt dieser Abhandlung sein.
Im dem mir als Kopie vorliegenden Reichssignalbuch von 1882 wird die Zugspitze durch zwei weiße Lichter an der Vorderseite der Lokomotive gekennzeichnet, im Signalbuch von 1896 wird schon eine dritte Laterne genannt. Um den Sinn zu ergründen, muß man sich die damalige Technik verdeutlichen. Der Bahnverkehr lief streng nach Fahrplan ab, die Beamten auf den Bahnhöfen und den Streckenposten hatten zur Uhrzeit die planmäßigen Züge zu erwarten und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Nachrichten über Veränderungen, Verspätungen, Ausfälle oder eingeschobene Sonderzüge den betroffenen Eisenbahner zu übermitteln, war nicht einfach. Neben den optischen Telegraphen, die nur bedingt zuverlässig waren, wurde ab 1845 die elektrische Telegraphie eingesetzt, die aber aus verschiedenen Gründen anfangs nur an Hauptstrecken und zudem nur zwischen großen Bahnhöfen eingesetzt wurde. die damals noch in regelmäßigen Abständen vorhandenen Bahnwärter und Schrankenwärter wurden in die Telegraphie nicht einbezogen. Für eine begrenzte Anzahl von definierten Mitteilungen wurden Ende des 19. Jh. die Läutewerke aufgestellt.
Nicht beseitigt werden konnte damit das Problem besonderer Meldungen. Behalf man sich anfangs damit, jedem Wärter eine entsprechende schriftliche Mitteilung durch den Zugführer aushändigen zu lassen, ging das mit zunehmenden Geschwindigkeiten der Züge nicht mehr. Bremsen und Anfahren der trägen Lokomotiven brachte den Fahrplan völlig durcheinander. Ein Zurufen der Nachricht war ebenfalls unzuverlässig, da die Geräuschkulisse des vorbeifahrenden Zuges das Aufnehmen der Nachricht erschwerte. Zudem setzten die Eisenbahngesellschaften an Streckenposten oft Invaliden ein, die mit ihren körperlichen Einschränkungen zwar schlechter bezahlt werden konnten aber dann dafür ungeeignet waren.
Eine Lösung für diese Aufgabe waren optische Signale, tags als Formsignal, nachts als Lichtsignal. Neben der Möglichkeit, diese Signal an den Seiten des Zuges anzubringen ist die einfachere Form eine Anbringung an der Zugspitze oder am Zugschluß, je nach Bedeutung.


Signale am Zuge.

Die mir vorliegenden Signalbücher der Länderbahnen von 1907 kennen noch fünf Signale für das Strecken- und Stationspersonal. Zu finden im Abschnitt VII, Signale am Zuge:

"Die Signale am Zuge dienen teils dazu, die Züge, einzeln fahrende Triebwagen und Lokomotiven als geschlossene Züge im Sinne des § 54 (1) der BO. zu kennzeichnen, teils dazu, dem Strecken- und Stationspersonal gewisse Mitteilungen zu machen."
Signal 15.
 
K e n n z e i ch n u n g  d e r  S p i tz e :
wenn  der  Zug auf  zweigleisiger  Bahn  das  falsche  Gleis  a u s n a h m s - w e i s e befährt:
B e i   D u n k e l h e i t :
R o t e Blendung einer der Laternen des Signals 15a.

Die vier Laternen der Lokomotiven hatten an der Rückseite eine Aufnahme für farbige Blenden in den Farben rot und grün. Die rote Blende wurde durch das Lokpersonal vor eine Laterne gesteckt, bis etwa 1896 wurden beide Laternen vorn rot geblendet.


Signal 17.

E i n  S o n d e r z u g  f o l g t  n a ch :
a) für einzeln fahrende Triebwagen und Lokomotiven:

B e i  D u n k e l h e i t :
An der Hinterwand außer der Sclußlaterne nach 16 eine g r ü n leuchtende Laterne.

b) für andere Züge:
B e i D u n k e l h e i t :
Signal 16 b mit der Abänderung, daß eine oder beide Oberwagenlaternen nach rückwärts  g r ü n e s  Licht zeigen.

Für das Schlußsignal 17a wurde die linke Loklaterne grün (seit 1910 bis spätestens 1923 dann weiß) geblendet.

An dieser Stelle ist noch wichtig zu erwähnen, daß die von vorn sichtbaren Owala ebenfalls grünes Licht zeigen. 1928 war grün noch gültig, im 35er SB ist das Licht weiß. Wann genau die Änderung erfolgte, kann ich z. Zt. mangels Änderungsverfügung nicht sagen.



Signal 18.
E i n  S o n d e r z u g  k o m m t  i n  e n t -
g e g e n g e s e tz t e r  R i ch t u n g :
B e i  D u n k e l h e i t :
Eine   g r ü n  leuchtende Laterne über den Laternen des Signals 15.

Zur Darstellung des Signals wurde von der Rückseite, der dem Zuge zugewandten Seite der Lokomotive eine Laterne genommen, grün geblendet und in der dritten (bzw. vierten) Signalstütze angebracht.

Hier begegnet uns nun im gesamten Reich eine Lokomotive, die an der Spitze drei Lichter führt. Deren drittes Licht ist aber ein Signallicht, diese Signallaterne hat nichts mit dem Spitzenlicht zu tun, sondern signalisiert dem S
trecken- und Stationspersonal einen Sonderzug. Nach der Begegnung mit dem Sonderzug hatte die Signallaterne (bzw. am Tage die Signalscheibe) auf dem nächsten Unterwegshalt entfernt zu werden.

1910*) erfolgte der Wechsel zu weißer Scheibe und weißem Licht beim Signal 18. Ebenfalls wurde hier eine rückseitige Laterne umgesteckt, nur bei Loks, die auf Strecken verkehrten, auf denen häufig Sonderzüge angekündigt werden mußten, erhielten fest installierte Signallaternen, bei elektrischer Beleuchtung auch vom Führerstand aus zu schalten. Preußische Elloks hatten generell die Signallaterne fest angebaut.

1940 wurde das Signal dann, seit 1935 Zg 7 genannt, aus dem Signalbuch gestrichen, durch die Fernsprechtechnik war die Ankündigung der Sonderzüge auf diese Art überflüssig geworden.



Mit dem zunehmenden motorisierten Straßenverkehr tauchten zwei weiße Lichter an der Spitze von Fahrzeugen verstärkt auf. In Städten und auf Hauptbahnen war die davon ausgehende Gefahr geringer, aber Züge auf Nebenbahnen mit dem regulären Spitzensignal wurden nachts von Kraftfahrern mit Lastwagen oder Bussen verwechselt und es kam an Bahnübergängen und parrallel verlaufenden Straßen zu einer Reihe schwerer Unfälle. Die unbenutzten, fest installierten Signalleuchten wurden von einigen Zugpersonalen trotz fehlender Regelung benutzt und erhöhten so die Unterscheidbarkeit zwischen den Fahrzeugen.
Die Bundesbahn führte zum 1.9.1957 die Umwidmung der ungenutzten Signallaternen als dritte Spitzenlaterne ein.

Die Deutsche Reichsbahn unterteilte das Spitzensingal Zg 1 1959 in a und b. Zg 1a zeigte vorn am ersten Fahrzeug drei weiße Lichter in Form eines A (Dreilicht- Spitzensignal). In den Ausführungsbestimmungen stand unter Punkt  (4): "Das Signal Zg 1a wird nur auf Bahnen mit Wegübergängen ohne technische Sicherung auf Anordnung der Direktion geführt."
Erst weit nach 1960 wurde der Einsatz bei der DR erweitert. Noch im Signalbuch von 1971 erklärt die AB (4) "Auf Nebenbahnen mit ungesicherten Wegübergängen muß das Signal Zg 1a geführt werden. Auf den anderen Strecken ist es zu führen, wenn die Triebfahrzeuge damit ausgerüstet sind. Auf elektrisch betriebenen S-Bahnstrecken wird das dritte Spitzenlicht durch das beleuchtete Richtungsschild ersetzt."
Noch in den 80ern konnten bei der DR Dampflokomotiven beobachtet werden, die nur zwei Lichter (Zg1b) führten.
Signal 19

war nur als Tagessignal zu geben, an der Lokomotive war an der Rauchkammer eine weiße, seit 1910 eine gelbe Scheibe anzubringen um zu signalisieren, daß die Fernsprechleitungen zu untersuchen seien. Die Umstellung war nötig, da weiß nun als Farbe für das signal 18 benötigt wurde.

Signal 20

forderte die Bahnwärter auf, die Strecke zu untersuchen. Dazu wurde am Tage der Arm, nachts eine Laterne am Zuge auf- und abgeschwungen.


Welche Auswirkungen hat dies nun auf die Modellbahn?

Einmal sind viele, aber nicht alle Modelle für die Epochen I und  II fehlerbehaftet. Gerade wenn der Hersteller von Formänderungen absah und das Modell zuerst in der Epoche III erschien, trugen die Loks noch alle drei Lampen. Begründet wurde dies zum Teil damit, daß der Kunde die drei Laternen verlange. War der Herstellen dann so geschickt und ließ die Signalleuchte dunkel, gab es reihenweise Reklamationen seitens der unbedarften Kundschaft.

Die Hersteller sind unterschiedlich genau in der Umsetzung, das muß im Einzelfall geprüft werden. An einer Rangierlokomotive in der Ausführung der Epoche I oder II ist die Signallaterne überflüssig, an Nebenbahnloks zumindest bedenklich. Für Lokomotiven, die auf Hauptstrecken verkehren, sehe ich keine Notwendigkeit, die Laterne zu entfernen. Änderungsbedarf besteht allerding in der Beleuchtung. Der Lichtleiter sollte, sofern vorhanden, entfernt bzw durchtrennt werden. Bei Einzellampen sollten diese stillgelegt oder über den Decoder einzeln geschaltet, sofern Sonderzüge signalisiert werden sollen.
Bei Fahrzeugen der Epoche 1 ist es sicher auch ein netter Effekt, die Signalleuchte mit einer grünen LED auszurüsten. Das trifft generell alle Anlagen, die vor 1910 spielen, dann müssen aber auch die Vorsignale mit geändert werden. Ich verweise da auf das preußische Signalbuch von 1907. Auf später angesiedelten Anlagen ist ein grünes Signallicht noch möglich, dann aber auch hier auf streckenweise Umstellung achten.


Anmerkungen.

*) 1910 wurde die Lichtervielfalt an Haupt- und Vorssignalen bereinigt. Wegen der unterschiedlichen Lichtausbeute war die Auswahl an gefärbten Glasscheiben beschränkt. Rotes Licht durchdringt Nebel weit besser als andere Farben, weshalb rot geblendete Laternen "Halt" signalisierten. Weißes Licht bedeutete "Fahrt frei" und grünes Licht, die Farbe mit der stärksten Lichtdämpfung "Warnung". Nach einigen schweren Unfällen, ausgelöst durch zerschmetterte (rote) Blendscheiben an Hauptsignalen, die damit fälschlich weiß "Fahrt frei" zeigten, wurde grün zum Fahrtbegriff und gelb als Warnfarbe etabliert. Anfangs allerdings sehr inkonsequent, so blieb weiß bei Vorsignalen als Fahrtbegriff und grün als Warnstellung erhalten. In Bayern blieb weiß bis in die 20er als Fahrtbegriff an Hauptsignalen Standard.
Diesem Durcheinander machte die Überarbeitung des Signalbuches von 1910 ein Ende. Neben dem Wechsel am Vorsignal (und dem Austausch der Vorsignalscheiben) fiel damit auch das grüne Licht am Signal 18 weg, da grün nun ausschließlich "Fahrt frei" bedeutet. Die Umstellung erfogte Streckenweise bis 1919, teilweise bis 1923 in der ED Karlsruhe. Auf Strecken mit grünen Vorsignalscheiben und -lichtern wurde auch das Signal 18 noch in grün gegeben.
Damit verlor weiß in den 20er Jahren seine Bedeutung als Signalfarbe an ortsfesten Signalen. Mit zunehmender Verbreitung elektrischer Lampen waren weiße Signallichter nicht mehr zweifelsfrei zu erkennen und mußten ersetzt werden. Nicht davon betroffen waren Formsignale, die ihre Signalbilder mit weißen Farben zeigten.

Quellen:
Signalbücher der  Preußisch-Hessischen Staatseisenbahnen, Bayerischen Staateisenbahnen, Sächsischen Staatseisenbahnen, Württembergischen Staatseisenbahnen, Badischen Staatseisenbahnen,  Oldenburgischen Staatseisenbahnen, Pfälzischen Eisenbahnen und Großherzoglich Mecklenburgischen Friedrich Franz Eisenbahn von 1907 bis 1928
Signalbücher der Deutschen Reichsbahn von 1935, 1949, 1959 und 1971.
Die Bilder stammen aus dem SB Preußen 1907 (4) und wurden mit den farbigen Signallichtern versehen und aus dem SB Preußen 1912 (1). Die farbige Darstellung der V 200 mit dem Zg 1a (Nachtzeichen) entstand aus einer abgemalten Frontdarstellung der Lokomotive.


 

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